Aktueller Stand der IVöB-Revision im Kanton Zürich
Was bisher geschah
Die heutigen im Kanton Zürich geltenden gesetzlichen Grundlagen zum Vergaberecht werden voraussichtlich 2023 durch revidierte Erlasse ersetzt. Dies, nachdem die Kantone 2019 an einer Sonderplenarversammlung der Schweizerischen Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK) die totalrevidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (nachfolgend IVöB 2019) einstimmig verabschiedet haben. Nachdem die Kantone Appenzell Innerrhoden und Aargau der IVöB 2019 beigetreten sind, ist diese am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Zwischenzeitlich sind bereits knapp die Hälfte der Kantone beigetreten. Damit die IVöB 2019 im Kanton Zürich in Kraft treten kann, ist ebenso ein Beitritt notwendig. Der Kanton Zürich erlässt dazu ein neues Gesetz über den Beitritt zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. November 2019 (BeiG IVöB) sowie eine neue Submissionsverordnung (SVO) mit ergänzenden Ausführungsbestimmungen. Die Vernehmlassungen dazu sind bereits 2022 erfolgt. Derzeit ist das Geschäft zum BeiG IVöB beim Kantonsrat Zürich pendent. Gerechnet wird mit einer Inkraftsetzung Mitte 2023; das genaue Datum steht jedoch noch nicht fest. Die revidierte SVO soll sodann vom Regierungsrat gleichzeitig mit dem BeiG IVöB in Kraft gesetzt werden.
Was gilt bis zur Inkraftsetzung der neuen Rechtsgrundlagen?
Für Kantone, die der IVöB 2019 noch nicht beigetreten sind – wie der Kanton Zürich –, gilt weiterhin die Vereinbarung vom 15. März 2001. Vergabeverfahren, die vor Inkrafttreten der neuen Rechtsgrundlagen eingeleitet wurden, werden nach dem bisherigen Recht zu Ende geführt (Art. 63 Abs. 1 IVöB 2019). Welche Rechtsgrundlagen angewendet werden, entscheidet sich somit aufgrund des Zeitpunkts der Ausschreibung auf simap.ch im offenen/selektiven Verfahren bzw. das Datum der Einladung zur Offertstellung im Einladungs- bzw. freihändigen Verfahren.
Was ändert? Was bleibt?
Die revidierte IVöB 2019 regelt weitgehend alle Bereiche des Vergaberechts. Die Kantone verfügen in ihren Beitrittserlassen nur noch über einen minimalen Spielraum, insbesondere sind unter Einhaltung der internationalen Verpflichtungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Dies sind die wichtigsten Themen:
Vergabeverfahren und Schwellenwerte
Das Vergaberecht im Kanton Zürich wird mit der IVöB 2019 nicht grundlegend neu. Es bleibt bei den vier Verfahrensarten und den bereits bekannten Abläufen eines Beschaffungsverfahrens.
Zusätzliche Beschaffungsinstrumente
Die IVöB 2019 sieht mit dem Dialog und dem Rahmenvertrag neue Instrumente vor, die in einem Beschaffungsverfahren angewendet werden können. Ausserdem wird die Grundlage für – die in der Praxis noch nicht verbreitete – elektronische Auktionen geschaffen.
Neue Anforderungen an Anbietende, Änderungen bei den Eignungskriterien
Die von den Anbietenden einzuhaltenden Teilnahmebedingungen – wie die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen, der Arbeitsbedingungen, der Lohngleichheit und des Umweltrechts – wurden konkretisiert. Zudem wurde festgehalten, dass Subunternehmen und Arbeitsgemeinschaften ohne anderslautende Regelung der Vergabestelle grundsätzlich zum Verfahren zugelassen sind. Zum Beizug von Subunternehmen wurde vorgesehen, dass «die charakteristische Leistung» grundsätzlich von den Anbietenden selbst zu erbringen ist.
Neue Zuschlagskriterien und bekannte Regeln
Grundsätzlich wird zwischen möglichen Kriterien innerhalb und zusätzlichen weiteren Kriterien ausserhalb des Staatsvertragsbereichs unterschieden. Die vorgängige Bekanntgabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien ist nun Pflicht. Weiterhin sind die beiden Kriterien «Qualität» und «Preis» immer anzuwenden. Die möglichen Zuschlagskriterien sind weiterhin nicht abschliessend aufgezählt, dennoch sind beispielsweise mit «Lebenszykluskosten» und «Plausibilität des Angebotes» neue Kriterien dazugekommen.
Angebote und ihre Behandlung
Gehen ungewöhnlich niedrige Angebote ein, ist die Vergabestelle neu verpflichtet, ergänzende Erkundigungen zur Einhaltung der Teilnahmebedingungen und zu den Leistungsanforderungen einzuholen. Unterangebote, also Angebote mit Preisen unter den Gestehungskosten, sind weiterhin zulässig, solange der Anbietenden die Eignungskriterien und Zuschlagsbedingungen erfüllen.
Im Grundsatz gilt weiterhin, dass Angebote nach ihrer Einreichung nicht abgeändert werden dürfen und unveränderbar sind. Neu zulässig sind indessen nun Bereinigungen (technische Verhandlungen). Abgebotsrunden sind weiterhin unzulässig.
Neu explizit zugelassen sind sogenannte «short lists», mit welchen die Vergabestelle, nach einer ersten Prüfung aller Angebote, die bestrangierten Angebote auswählen und nur diese einer umfassenden Bewertung unterziehen kann.
Rechtsschutz
Vergabeentscheide (auch Zuschläge) müssen neu summarisch begründet werden mit Angaben, die es den Anbietern ermöglichen, den Entscheid zumindest in den Grundzügen nachzuvollziehen. Gegen Vergabeentscheide der dem kantonalen Recht unterstellten Vergabestellen ist der Rechtsschutz wie bisher umfassend ausgestaltet. Die Frist beträgt mit Inkraftsetzung der Revisionserlasse nun auch auf kantonaler Stufe neu 20 Tage.
Beitrag von Claudia Schneider Heusi und Rahel Breitschmid